Der nur mäßig erfolgreiche Autor Osamu Nonoguchi entdeckt seinen Mentor und Freund, den gefeierten Bestsellerautor Kunihiko Hidaka, tot in dessen Wohnung. Tragischerweise wird Nonoguchi von Hidakas Ehefrau begleitet, die gemeinsam mit ihrem Mann nur wenige Stunden später nach Kanada auswandern wollte. Von der sogleich hinzugerufenen Polizei übernimmt den Fall der Ermittler Kyochira Kaga, der zufällig in Nonoguchi einen ehemaligen Kollegen wiedererkennt, mit dem er gemeinsam vor vielen Jahren als Lehrer an einer öffentlichen Schule unterrichtete. Kaga überprüft pflichtbewusst die Alibis von den beiden, die sich aber als absolut wasserdicht erweisen. Zudem haben weder Nonoguchi noch die Ehefrau ein Motiv. Doch im Laufe der Ermittlungen findet Kaga Hinweise, dass das Verhältnis zwischen dem Toten, seiner Ehefrau und Nonoguchi wohl nicht immer das Beste war. Es scheint, als ob über dem Mord ein Schatten aus der Vergangenheit schwebt, der nur schwer zu fassen ist. Kaga merkt schnell, dass er das Verbrechen nur lösen kann, wenn er herausfindet, was das Motiv für den Mord gewesen sein könnte. In einem intelligentem Katz-und-Maus-Spiel kämpfen der Kommissar Kaga und der Mörder um das Wissen über längst vergangene Ereignisse.
Noch ein Higashino mit einer exzellenten Übersetzung von Ursula Gräfe, durch die das japanische Flair und der brillante Plot weitestgehend unverfälscht bleiben (das denke ich zumindest mal). Ein großartiges Buch, das den Leser in eine Welt einfängt, in der die Konzentration auf kleine Details erst die Sicht auf das große Bild ermöglichen. Higashino hat einen stetig steigernden Spannungsbogen geschaffen, in dem der Leser ähnlich wie der Kommissar nach und nach mit kleinen Hinweisen gefüttert wird, aber sich sehr lange Zeit überhaupt keinen Reim darauf machen kann. Mich überfiel beim Lesen eine düstere Stimmung, musste ich doch feststellen, dass Anfangs kirschblütenweißen Charaktere immer mehr an Glanz verloren und am Ende gar dem Abbild eines ehrlosen Ronin ähnelten. Dabei führt uns Higashino während der Lektüre sinnbildlich durch ein Haus mit verschlossenen Türen – japanischen Papiertüren, die Dank ihrer marginalen Transparenz uns eine blasse Ahnung dessen vorspielen, was wir dahinter finden werden, wobei eine aufgeschobene Tür durch geschickte Täuschung, Betrug und Blendwerk keine Erkenntnis bringt, sondern oftmals nur den Blick auf eine weitere Tür eröffnet.
Higashino ist meiner Ansicht nach nichts für Leser, die bluttriefende Thriller gewohnt sind. Der Kriminalroman zeichnet sich durch eine Klarheit eines japanischen Gartens aus, in der die aktive Handlung zugunsten investigativer Gespräche zurückgenommen wird. Insofern sind die Dialoge messerscharf, äußerst raffiniert durchdacht und repräsentieren den eigentlichen Handlungsverlauf, denn (fast) nur durch den intellektuellen Austausch der Protagonisten – noch dazu aus unterschiedlichen Perspektiven – werden die Puzzleteile zusammengefügt und bestimmen den Prozess der Wahrheitsfindung. Ein äußerst geschicktes Vorgehen, das von hohem literarischen Können zeugt. Besonders gelungen finde ich hierbei den letzten Teil des Buches, der lediglich aus Zeugenaussagen besteht – mal etwas ganz Neues in einem ansonsten größtenteils abgedroschenen Genre.
Higashino, respektive der japanische Kriminalroman, hat mich voll und ganz überzeugt. Da ich ohnehin ein Liebhaber japanischer Literatur bin (wann bekommt Murakami eigentlich endlich den verdienten Literatur-Nobelpreis?), fällt es mir auch nicht schwer, mich auf die fast lakonische Erzählweise einzulassen. Empfehlen kann ich das absolut lesenswerte Buch – den Schriftsteller – allen Freunden von gehobener Kriminal-Literatur.
Am Rande darf ich noch mal auf das erste Buch verweisen, das von Higashino in deutscher Sprache veröffentlicht wurde: Verdächtige Geliebte. Die Rezension zu dieser ebenfalls sehr empfehlenswerten Lektüre finden Sie > hier im Blog.
Keigo Higashino
Böse Absichten
Broschiert, 255 Seiten
Verlag: Klett-Cotta
ISBN: 978-3608980271