Gerade in der letzten Zeit sind schon einige berühmte Persönlichkeiten gestorben, deren Tod mich berührt hat. Den Anfang machte am 28. Dezember Lemmy Kilmister, am 10. Januar David Bowie, am 14. Januar Alan Rickman und nun … nun hat es jemanden getroffen, der mir wirklich persönlich viel bedeutete: mein ganz großes Vorbild Roger Willemsen.
Warum Vorbild? Willemsen war ein Meister der Sprache, eine Fundgrube schöner Worte und Gedanken, ein hoch sensibler Interviewer mit dem immer richtigen Ton und vor allem ein Gesprächspartner, der sich mit jedem gleichermaßen gut und gerne unterhalten hat, mit einer prominenten Persönlichkeit genauso wie mit einer flüchtigen Reisebekanntschaft. Wer wie ich gelegentlich das große Glück hatte, in ganz privaten Gesprächen seiner eloquenten Ausdrucksweise folgen zu dürfen, verfiel recht schnell dem Zauber der trefflichen Worte eines immer lächelnden Roger Willemsen – einer Frohnatur, einem frohen Geiste, dem sicherlich niemals Böses widerfahren würde. So schien es. So glaubte ich.
Als ich im August letzten Jahres die Nachricht vernahm, dass Roger Willemsen an Krebs erkrankte, dachte ich nicht eine Sekunde daran, dass dieser Schicksalsschlag ihn gar das Leben kosten könnte. Nein, ein Roger Willemsen stirbt nicht, sondern kommt nach einem, oder vielleicht zwei Jahren mit einem Lächeln zurück und verkündet mit gewohnt heiterer Mine, dass alles wieder gut ist und die Welt sich weiter dreht.
Das tut sie in der Tat, aber mit einem freundlichen Lächeln weniger.
Ich möchte keinen Nachruf schreiben, dafür hat schon Matthias Kalle von Der Zeit schöne und großartige Worte gefunden (>> hier nachzulesen), sondern eine kleine Anekdote erzählen, die ich immer wieder gerne erzähle und die mir – jetzt erst recht – ewig gedenkt und von meiner letzten persönlichen Begegnung mit Roger Willemsen berichtet:
Wie jedes Jahr bestand mein persönliches Highlight auf der Buchmesse Frankfurt darin, an irgendeiner Ecke ganz unverhofft auf Roger Willemsen zu treffen und mit ihm ein wenig zu plaudern. Zuletzt auf der Buchmesse 2014, als wir für eine halbe Stunde auf dem Balkon der Halle 3.1 standen und den Umstand bedauerten, dass er aus – sagen wir mal – „politischen“ Entscheidungen, die nicht in seinen Händen lagen, nicht mehr auf dem Heidelberger Enjoy Jazz Festival auftreten, aber dafür für 2015 ein wunderbares Projekt mit Anke Engelke in Planung hätte. Mit dem Wissen, dass er kurz darauf am Stand des S. Fischer-Verlages sein damals neu erschienenes Buch Das Hohe Haus signieren würde, wollte ich ihm noch einige Minuten kontemplative Ruhe gönnen und begab mich wieder in die Halle, um mich dort wieder mit meiner Freundin zu treffen, um anschließend zusammen zum Signieren zu gehen. Roger Willemsen verbrachte die letzte Viertelstunde vor dem Signieren natürlich nicht in Ruhe auf dem Balkon, sondern begab sich, ganz seiner Art entsprechend, viel zu früh an den Verlagsstand, an dem allerlei Mitarbeiter geschäftig und hektisch umher wuselten, da noch gar nichts vorbereitet war. Willemsen aber stand da. Ein lächelnder Fels in der Brandung. In seiner vollkommen unschuldigen Art und seiner Popularität zum Trotze wusste er gar nicht so recht, wohin er sich begeben solle, als die Standleiterin kam und ihn wie ein kleines Kind am Arm packte und regelrecht wieder zurück auf den Balkon schleifte. Als das Gespann an uns vorbei kam, die genervte Dame energisch vorneweg und er im Schlepptau dahinter, trafen sich unsere Blicke. Natürlich lächelte er, aber dieses, die Situation lautlos kommentierende, resignierende Augenrollen werde ich niemals vergessen. Als wir uns beim Signieren wieder trafen, haben wir herzlich darüber lachen können.
Es war nicht unser letzter Kontakt, aber das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe. Ich werde sein Lächeln, seine Worte und seinen außergewöhnlichen Geist vermissen! Ich hoffe, dass er und sein guter Freund Michel Petrucciani da oben eine wunderbare Zeit haben werden, mit viel guter Musik und guten Gesprächen.
Roger Willemsen
* 15. August 1955 in Bonn; † 7. Februar 2016 in Wentorf bei Hamburg