Durchschnittlich 23 Personen verschwinden jährlich sprichwörtlich spurlos auf Kreuzfahrtschiffen, als Ursache wird üblicherweise Selbstmord angenommen. Auch der Polizeipsychologe Martin Schwartz verlor auf diese Weise vor fünf Jahren unter mysteriösen Umständen seine Frau und seinen Sohn. Seither ist er ein gebrochener Mann und übt seinen Beruf als verdeckter Ermittler in nahezu selbstzerstörerischer Weise aus. Eines Tages bekommt er einen Hinweis, dass auf dem selben Kreuzfahrtschiff, auf dem er Frau und Sohn verlor, ein vermisst geglaubter Passagier nach Wochen wieder auftauchte. In der Hoffnung, die Wahrheit über das Schicksal seiner eigenen Familie zu ergründen, nimmt er eine dubiose Einladung zu einer Kreuzfahrt an, um den mysteriösen Vorfällen auf der Sultan auf den Grund zu gehen.
Johannes Fitzek ist seit 2006 als Thrillerautor in aller Munde. Zuvor promovierte der studierte Jurist im Urheberrecht und arbeitete dann als Chefredakteur und Programmdirektor an diversen Radiostationen. Daneben veröffentlichte er bereits Sachbücher und lieferte die Vorlage für das Fernsehformat Deutschland – deine Namen, welches unter der Moderation von Johannes B. Kerner im Jahre 2006 vom ZDF ausgestrahlt wurde. Inzwischen ist er einer der wenigen deutschen Thrillerautoren, dessen Bücher auch große Erfolge in den USA haben.
Mein erster Fitzek. Nachdem mich letztes Jahr auf der Buchmesse Frankfurt die Masse an Fans bei seinen Signierstunden beeindruckte (bzw. Halle 3.0 hoffnungslos verstopfte), musste ich dem Hype auf den Grund gehen und endlich einen Fitzek lesen. Und ich muss gestehen, dass mir die Handlung von Passagier 23 gut gefallen hat. Überraschend daher, weil ich in den letzten Jahren eigentlich den Eindruck gewonnen habe, dass Thriller sich nur noch durch ihre explizite Darstellung besonders perfider Grausamkeiten auszeichnen, ansonsten aber – mal mehr, mal weniger literarisch ausgefeilt – einer thematisch gleichbleibenden Linie folgen: eins oder zwei Kommissare, die in einer anscheinend idyllischen Umgebung eher zufällig einem krankhaften Massenmörder auf die Spur kommen und dessen aktuelles Opfer in letzter Sekunde vor der Zerstückelung retten. Die Ermittler ihrerseits werden selbst zu Gejagten, schaffen es aber gerade noch so, dem Exitus zu entgehen und dabei das Monster seiner gerechten Strafe zuzuführen (die, so glaube ich, zu 95 % tödlich ist) . Klappe zu, nächstes Monster. Ich möchte das Genre nicht schlecht reden, denn es gibt ja doch einige wirklich gute Geschichten. Den Passagier 23 zähle ich mal dazu, denn gefallen haben mir der ungewöhnliche Ort des Geschehens (Kreuzfahrtschiff), die wirklich spannenden und mysteriösen Tatsachen (?) rund um verschwundene Passagiere, sowie eine Geschichte, deren Verlauf der Erwartungshaltung des Lesers nicht unbedingt entspricht und daher für die ein oder andere Überraschung und Spannung sorgt. Nichts scheint so zu sein, wie der erste Eindruck es uns glauben lässt.
Aber wo viel Licht ist, ist ja bekanntlich auch viel Schatten …
Der Protagonist Martin Schwartz, der meines Erachtens etwas zu fatalistisch durch die Geschichte stolpert, gefällt mir gar nicht. Leider ein etwas sehr blasser Character, von dem weniger das (fehlende) investigative Gespür, als mehr sein Drang zur Selbstzerstörung im Gedächtnis bleibt. Ebenso wenig gefällt mir die vollgepackte und teilweise überfrachtete Handlung. Gut für das kurzweilige Lese- oder Hörvergnügen, schlecht für den Tiefgang, denn eigentlich wirken alle beteiligten Figuren recht flach und konstruiert. Und wie so oft bringen uns auch nicht die investigativen Leistungen eines brillanten Ermittlers weiter, sondern größtenteils actionreiche Zufälle. Ich habe jetzt zwar keinen Sherlock Holmes erwartet, aber ein wenig mehr „Krimi“ und etwas weniger „Action“ hätte dem Passagier 23 durchaus gut getan.
Ach ja, lieber Herr Fitzek, noch vor dem Epilog eine fast halbstündige „Danksagung“ zu bringen, grenzt ja schon an übertriebenem Narzissmus. Das geht ja mal gar nicht.
Nichts desto trotz: für Spannung und Kurzweil ist das Buch sicherlich eine gute Wahl. Wer mehr erwartet, sollte vielleicht die Finger davon lassen. Das Hörbuch wurde von Simon Jäger gut gesprochen und entspricht mit seiner teilweise überzogenen Sprechweise eigentlich voll und ganz dem Stil der Geschichte.
Sebastian Fitzek
Passagier 23
Hörbuch, 10 Std. 10 Min.
Gesprochen von: Simon Jäger
Version: ungekürzt, Deutsch
Verlag: Audible GmbH (Anbieter)