Markus Orths: Irgendwann ist Schluss. Erzählungen

Markus Orths: Irgendwann ist Schluss. Erzählungen

Das neue Buch von Markus Orths enthält sieben Erzählungen und einen „Bonus Track“ mit dem Titel Vier Stunden im Garten gelegen. Im Mittelpunkt stehen verschiedene Arten des „Verrückt-Seins“.

In der ersten Erzählung mit dem Titel Erich, Erich baut ein Mann, der denkt, von drei Männern, die seine Beine absägen, verfolgt zu werden, das Haus seiner Eltern zu einem Schutzbunker um, in dem jede einzelne Ecke von einer Kamera bewacht wird. In Bischoff gegen BRD verklagt ein gewöhnlicher Mann die Bundesrepublik, nur um seinem Sohn zu gefallen, was am Ende gründlich nach hinten losgeht. Die nächste Erzählung, Löwes Welt, handelt von Linguisten, die einige tausend Seiten kryptische Aufzeichnungen eines Mordverdächtigen finden, die sie zu entschlüsseln versuchen. Einer von ihnen entwickelt dabei nach und nach eine Obsession mit dem Verfasser, der in seinen Augen zu einer Art philosophischer Gottheit aufsteigt. Im Séparée hat einen reichen, rücksichtslosen Unternehmer zum Gegenstand, der während seines üblichen Mittagessens von einem Todesgeräusche sammelnden Kammerjäger um fünf Millionen Euro erleichtert wird. Pygmalion Soap ist die Geschichte eines vermeintlich normalen Mannes, der sich dem niemals aufgearbeiteten Ende seiner Jugendliebe stellen muss und dabei jeglichen Bezug zur Realität verliert, während Shot to Nothing sich um einen merkwürdigen Deal dreht, dem der Protagonist mit Hilfe von Snooker zu entkommen versucht. In Die Stimme erzählt ein Mann seinem Therapeuten, was die Stimme, die er neuerdings hört, mit ihm macht und der Bonus Track ist der nicht enden wollende Monolog der Mutter des Protagonisten.

Ich muss gestehen, ich bin etwas zwiegespalten, was dieses Buch betrifft. Bei der Hälfte der Erzählungen dachte ich während des Lesens etwa „Mann, ist das gut“, dann kam wieder eine, die mich mit einem „Was zur Hölle war das denn?!“-Gefühl zurückließ. Ich glaube, das Wort „schräg“ fasst die Leseerfahrung ganz gut zusammen. Es ist auf jeden Fall etwas anderes und hebt sich von den tausenden Neuerscheinungen dieses Frühjahr definitiv ab. Ob auf gute oder schlechte Weise, wird man in diesem Falle wohl selbst entscheiden müssen. Bischoff gegen BRD und Löwes Welt fand ich richtig gut, ersteres ist im Grunde eine tragische Geschichte eines Mannes, der nicht mehr weiß, wo seine Prioritäten liegen, während das zweite die allmählich einsetzende Geisteskrankheit eines Mannes beschreibt, der so sehr in die Gedanken eines anderen Mannes eindringt, dass sie mit seinen verschmelzen. Pygmalion Soap gefällt mir insofern auch, als dass es die Obsession eines Mannes beschreibt, der seine Jugendliebe wieder zum Leben erwecken möchte und dafür zu weit geht. Shot to nothing jedoch hat so einige Fragezeichen hinterlassen, irgendwie kann ich diese Geschichte nicht einordnen und kann dementsprechend kein wirkliches Urteil abgeben. Das einzige, was ich nach dem Lesen dachte, war: „Warum…“? Den Todesgeräusche sammelnden Kammerjäger in Im Séparée fand ich einerseits witzig, andererseits aber auch etwas überzeichnet.

Wem kann ich das Buch empfehlen? Menschen, die sich gerne mit dem abgründigen der menschlichen Existenz beschäftigen und keine Abneigung gegen absurde Geschichten haben. Es ist auf jeden Fall eine interessante Leseerfahrung und eines der Bücher, zu denen man sich den Zugang erst erarbeiten muss. Wer ein Buch für nette Unterhaltung im Urlaub sucht, ist hier nicht richtig, wenn man eine Herausforderung sucht, sollte man diesem Buch eine Chance geben.

Markus Orths
Irgendwann ist Schluss

Taschenbuch, 245 Seiten
Verlag: btb
ISBN: 978-3442748136