Eine Schlacht im ersten Weltkrieg. Der aus einer wohlhabenden Familie stammende Soldat Edouard rettet seinem Kameraden Albert das Leben, wobei sein halbes Gesicht weggebombt wird. Als beide geborgen und in ein Lazarett gebracht werden, fühlt Albert sich verantwortlich dafür, sich um den neu gewonnenen Freund zu kümmern. Dieser resigniert beim Anblick seiner Entstellung allerdings und trifft den Entschluss, sich keine Implantate geben zu lassen, sondern fortan mit halbem Gesicht zu leben. Da er auf keinen Fall zu seiner Familie zurück möchte, bittet er Albert, ihn für tot erklären zu lassen, was dieser auch tut. Als es beiden einigermaßen besser geht, ziehen sie zusammen in eine Wohnung und stellen bald fest, dass die Soldatenpension, die Albert bekommt, kaum für beide ausreicht. Angewidert von dem Umstand, dass die Veteranen weitestgehend ignoriert werden, während der Staat ein Vermögen für Denkmäler für die Gefallenen ausgeben möchte, beschließt Edouard, der ein begnadeter Künstler ist, Kataloge für Denkmäler drucken zu lassen, den Vorschuss zu kassieren und sich damit in die Kolonien abzusetzen. Albert verwirft diesen Plan zunächst als Spinnerei, doch mit der Zeit werden die beiden immer ärmer und ihm wird klar, dass sie auf „anständige“ Art nicht durchkommen können. So schließt er sich dem Freund an und die beiden beginnen ihr Vorhaben, das allerdings schon bald in Schwierigkeiten gerät, da Edouards Vater, der seinen Sohn nie akzeptieren konnte, von Schuldgefühlen geplagt, beschließt, ihm ein Denkmal zu setzen.
Lemaitres Roman ist ein wirklich großartig geschriebenes Buch über Kameradschaft, Schuld, Gier, die Greuel des Krieges und eine Gesellschaft, in der die Toten und das Heldentum wichtiger sind als die verwundeten Überlebenden. Bei all der Schwere der Thematik ist es ihm gelungen, stets einen ungezwungenen, leichten Ton beizubehalten und eine gewisse Komik in die Geschichte zu bringen. Dieses Buch ist vieles: es spricht sich gegen die Gräuel des Krieges aber auch die Kälte der Nachkriegsgesellschaft aus, ebenso wie es eine Kritik an den Kriegsprofiteuren ist. Nicht zuletzt betont es auch die Wichtigkeit von Freundschaft und gegenseitiger Akzeptanz. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung.
Kleine Ergänzung aus der Redaktion:
Pierre Lemaitre ist freier Schriftsteller und ist seit 2011 Verwaltungsrat der Société des gens de lettres (SGDL). Mit dem Roman Au revoir là-haut („Auf Wiedersehen da oben“) verließ Lemaitre das Krimi- und Thrillergenre und präsentierte erstmals einen historischen Roman und schreibt von der Rückkehr zweier Poilus (einfachen Soldaten) aus dem Ersten Weltkrieg. Für diesen Roman wurde er 2013 mit dem bedeutendsten französischen Literaturpreis ausgezeichnet, dem Prix Goncourt, Lemaitres Romane wurden bereits in mehr als 20 Sprachen übersetzt.
Pierre Lemaitre
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Gebunden, 518 Seiten
Verlag: Klett-Cotta
ISBN: 978-3608980165