Kristina Ohlsson: Papierjunge

In einer jüdischen Gemeinde in Schweden werden zwei Jungen tot aufgefunden. Die beiden wurden auf dem Weg zum Tennistraining entführt, man ließ sie laufen, um sie anschließend zu jagen und zog ihnen nach ihrem Tod Papiertüten über den Kopf, auf die Gesichter gemalt waren. Kurz zuvor erschoss man eine Erzieherin, die ebenfalls für die Gemeinde tätig war. Die Ermittler Alex Recht und Fredrika Bergman stehen vor einem Rätsel: Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Fällen? Was veranlasste die Eltern der beiden Jungen vor zehn Jahren, fast gleichzeitig Israel zu verlassen und nach Schweden zu ziehen? Kurz darauf taucht die Legende des Papierjungen in den Ermittlungen auf, ein alter Mythos, den man sich in zwei Kibbuzim in Israel erzählte, der allerdings nicht sonderlich bekannt war, von dem es allerdings heißt, er hole sich die Kinder bei Nacht, töte sie und hinterlasse eine Papiertüte bei ihnen. Alex und Fredrika sind sicher, dass die Morde etwas mit der Legende und der Vergangenheit der Eltern der beiden Jungen zu tun haben, jedoch werfen alle Ermittlungen mehr Fragen auf, als sie beantworten. Nach und nach wird deutlich, dass alle Spuren nach Israel führen und irgendwie im Zusammenhang mit einem Mossad-Agenten und einer jüdischen Ermittlerin der schwedischen Geheimpolizei, die schon einmal mit Alex zusammengearbeitet hat, stehen. Alex und Fredrika tappen im Dunkeln und so beschließen die beiden, dass Fredrika nach Israel fliegen und der Geschichte dort auf die Spur gehen soll. Als sie jedoch die Geschichte des Papierjungen anspricht, verweigern die dortigen Behörden jegliche Zusammenarbeit und lassen die ratlose Ermittlerin mitten in der Nacht alleine in der Stadt zurück. In der Zwischenzeit ermitteln Eden, die schwedische Geheimdienstagentin, auf eigene Faust und in eigenem Interesse weiter und merkt schon sehr bald, dass sie viel tiefer in die Geschichte verwickelt ist, als ihr lieb sein kann…

Ohlsson ist hier ein packender Thriller gelungen, der zahlreiche Thematiken bedient; zum einen geht es um Familie, Verrat und damit zusammenhängende Traumata, zum anderen steht die undurchsichtige Welt der Geheimdienste im Fokus, die allesamt nur zu ihrem eigenen Vorteil ermitteln und sich nicht nur durch mangelnde Kooperation, sondern auch durch versuchte gegenseitige Abwerbung von Agenten hervortun. Der Roman zieht einen sofort in seinen Sog und man kann ihn nicht weglegen, bis man hinter die Wirren der gesamten Geschichte geblickt hat. Obwohl Thriller eher nicht mein Genre sind und im Zusammenhang mit Spionage-Geschichten schon gar nicht, fand ich diesen hier sehr gelungen und habe ihn trotz der beachtlichen Länge in wenigen Tagen gelesen, weil ich einfach wissen musste, wie es weitergeht. Zudem ist die Thematik rund um die jüdische Gemeinde, die Verbindungen nach Israel, die schwedisch-israelischen Beziehungen und dem alten jüdischen Märchen auch nicht etwas, das einem täglich begegnet und was das Buch daher von der Masse der Neuerscheinungen abhebt. Natürlich sind die „Grundzutaten“ eines Thrillers auch hier vorhanden, aber das Setting und die Ermittlungsweisen (vor allem die Unterschiede zwischen den schwedischen und den israelischen Ermittlern), obgleich ein wenig klischeebehaftet, sind mal was anderes. Fans der spannenden, ein wenig düsteren und nicht gleich durchschaubaren Unterhaltung werden hier voll auf ihre Kosten kommen.

Kristina Ohlsson: Papierjunge
Verlag: Limes
Hardcover, 576 Seiten
ISBN: 978-3-8090-2640-2

(erscheint am 29.02.- bitte nicht vorher veröffentlichen!)