David Grossman: Kommt ein Pferd in die Bar

David Grossman: Kommt ein Pferd in die Bar

Dove ist Komiker. Regelmäßig steht er in verschiedenen Bars auf der Bühne und versucht, sein Publikum so gut es geht zum Lachen zu bringen. Für diesen speziellen Abend jedoch hat er sich ein ganz spezielles Publikum eingeladen, das zunächst willkürlich zusammengewürfelt scheint. Darunter ist auch sein ehemaliger Freund, ein pensionierter Richter, den er gebeten hat, ihn diesen einen Abend lang zu beobachten und ihm mitzuteilen „was er sieht“. Etwas verwirrt von dieser Anfrage und unschlüssig, ob er wirklich dort sein möchte, entschließt der Richter sich, zu sehen, was es damit auf sich hat. Dove fährt im Laufe des Abends immer wahnwitzigere Possen auf, die mal mehr mal weniger beim Publikum funktionieren; mal lachen alle mit ihm, mal manche über ihn und mal kommt zu es zu Protesten wütender Gäste, die ihr Geld zurück verlangen. Vor allem als Dove zunehmend beginnt, nach und nach eine private Tragödie zwischen all die Witze zu flechten, fühlen die Gäste, allen voran der Richter, der begreift, dass er irgendwie an dieser Tragödie beteiligt war, sich unwohl. Der Komiker merkt dies natürlich und versucht immer wieder, durch immer absurdere Aktionen die Stimmung im Saal aufzulockern. Das Publikum ist sich dessen allerdings sehr wohl bewusst und es wird immer bedrückender und leerer im Saal, bis der Abend sich wie ein dicke, elektrisierende Sturmwolke über den Köpfen aller Anwesenden entlädt.

Grossman ist ein Virtuose der Stimmung: beginnt seine Geschichte noch eher ein wenig verwirrend und ist man als Leser zunächst ein wenig ratlos ob der Motive des Komikers und des möglichen Fortgangs des Abends, umwebt die Geschichte einen schon sehr bald wie dichter Nebel, legt einem das Herz in einen Schraubstock und zieht immer fester zu, bis man sich ihr nicht mehr entziehen kann. Zurück bleibt eine ganze Bandbreite an Emotionen, von denen nicht viele angenehm sind, die man jedoch auch nicht abschütteln möchte, weil die Geschichte einem nahe geht und einem klar wird, dass man die Gefühle der Hauptfigur in all ihren dramatischen Ausmaßen teilt. Ich habe selten ein Buch gelesen, das eine solche Beklemmung auslöst, der man sich allerdings überhaupt nicht entziehen will, weil man mit der Figur leiden und lachen, sich mit ihm freuen und schämen möchte. Leichte Kost ist dieser Roman auf keinen Fall, aber ein Erlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte, denn das jemand mit Worten all das auslösen kann, was diese Geschichte auslöst, ist nicht alltäglich. Überhaupt ist dieses Buch anders als alle anderen Bücher, die ich gelesen habe und eine erfrischende Abwechslung in der Flut der jährlichen, sich oftmals ähnelnden Neuerscheinungen.

Wer bereit ist, sich auf eine emotionale Achterbahnfahrt einzulassen, muss dieses Buch unbedingt lesen!

David Grossman
Kommt ein Pferd in die Bar

Gebundene Ausgabe, 251 Seiten
Verlag: Hanser
ISBN: 978-3446250505