Lucie Ferreira, die Gardienne aus dem Haus Nr. 3 am Place de Vosges, putzt freiwillig und hingebungsvoll in der Pariser Oper, die während eines Putzkräftestreikes nicht Lucies Ideal eines sauberen Hauses entspricht. Zudem möchte Lucie nicht, dass Guillaume Bernard – seines Zeichens Direktor des Corps de ballet an der Pariser Oper und liebgewonnener Bewohner des Hauses Nr. 3 – seinen gerade gefeierten, 60sten Geburtstag in einer in Schmutz versinkenden Oper verbringen muss. Doch die Sauberkeit hat ihren Preis, denn Bernard stürzt auf einer gerade gewischten Treppe so unglücklich, dass er zu Tode kommt. Doch Lucie glaubt nicht an einen Unfall, sondern befürchtet, dass sich unter dem offensichtlichen Staub noch ganz anderer Schmutz verkriecht. Verdächtige gäbe es zu genüge: da wären z.B. die Tänzerin Anne Gilbert und die wohlhabende Kora Chavignier, mit denen Bernard offensichtlich nicht nur berufliche Interessen teilte. Oder vielleicht sogar die stellvertretende Ballettdirektorin Bernadette Colasante, die möglicherweise einen höheren Dienstgrad anstrebt? Lucie stürzt sich wieder in ihre eigenen Ermittlungen und trifft auch wieder auf Kommissar Léon Legrand, der sich über das Wiedersehen mit der renitenten Dame keinesfalls freut. Wird es Lucie trotzdem schaffen, auch die letzte Ecke der Pariser Oper vom Schmutz zu befreien?
Marie Pellissier schafft es mit ihrem zweiten Roman, uns noch tiefer und atmosphärisch dichter in la vie parisienne zu entführen. Schon in ihrem ersten Roman (> Die tödliche Tugend der Madame Blandel) öffnet sie unsere Herzen für die zauberhaft schrullige, manchmal trottelige aber dennoch verschlagene Lucie Ferreira, die ihren sonst unanfechtbaren Diensteifer als Gardienne inklusive ihrer Zuckerkrankheit angesichts eines möglichen Mordfalls mal kurzzeitig vergisst und fest davon überzeugt ist, dass der Kommissar Legrand ohne ihr Zutun niemals den wahren Mörder dingsfest machen könnte. Immerhin sucht Lucie in der Bibel nach Rat und zählt auf Gottes Hilfe. Der hat aber vermutlich manchmal anderes zu tun, und so stolpert sie von einer beinahe-Katastrophe in die nächste.
Aber noch einer hat mir besser als im ersten Buch gefallen: nämlich der Kommissar Legrand selber. Diesmal tappt er in der Stadt der Liebe in Amors Falle und betet hingebungsvoll die ehemalige Tänzerin Amandine Maurel an, deren Schönheit von so unvergleichlicher Anmut ist, dass Legrand sich nach ihrem ersten Kontakt erst einmal gehörig betrinken muss. Die ganze Geschichte hat natürlich einen Haken, denn Amandine ist nicht nur um einiges älter als Legrand, sondern zu dessen Entsetzen auch noch bestens befreundet mit der Gardienne Lucie. Ein Umstand, der Legrand zu unserer Freude von einem in das andere (heitere) Fettnäpfchen treten lässt.
Wir Leser werden, wie in Lucies erstem Fall auch, tief in das Pariser Leben integriert und können förmlich durch die Straßen wandern, während wir dem äußerst spannenden Fall folgen. Großartig, mit welcher Leichtigkeit Marie Pellissier dabei der Spagat zwischen Krimi und französischer Lebensart gelingt. Nicht etwa im Stile des Film noire der 50er und 60er Jahre, sondern beschwingt, leicht und stellenweise sehr humorvoll geleiten wir die Gardienne durch ihre Abenteuer, in denen sie nicht nur auf unkonventionelle Weise um die Aufmerksamkeit eines Verkäufers in einem Apple Store buhlt, sondern sich auch gedanklich sehr intensiv mit dem Fall auseinander setzt und dabei einen perfekten loup de mer mit Salzkruste zubereitet. Sprichwörtlich für die Katz‘, übrigens.
Dieses Buch ist wunderbar und ich kann es – wie das erste Abenteuer von Lucie Ferreira auch – jedem Parisliebhaber empfehlen. Die Protagonisten sind liebenswert, durchdacht und authentisch, genauso wie die Stadt selbst, in der sie sich bewegen. Man merkt einfach, dass Pellissier Land und Leute kennt … und liebt.
Besser als das erste Buch! Schon hoffe ich, dass mir die Gardienne in einem dritten Fall begegnen möge, vielleicht kommt ja dann mal einer der stimmungsvollen Pariser Friedhöfe zu Ehren.
Marie Pelissier
Der tödliche Tanz des Monsieur Bernard
Broschiert, 352 Seiten
Verlag: Diana Verlag (9. November 2015)
ISBN: 978-3453357686