Cesare Annunziata, siebenundsiebzig Jahre alt, kommt zu der Einsicht, dass er sein bisheriges Leben vergeudet hat und beschließt, dass sich das von nun an ändern muss. Schwierig wird hierbei, dass es ihm ziemlich an sozialer Kompetenz mangelt und er sich bei allem, was mit Gefühlen zu tun hat, ziemlich ungeschickt anstellt. Vor allem wenn es um seine Kinder Dante und Sveva geht, fühlt er sich regelmäßig hilflos, weil er keinen wirklichen Zugang zu ihnen findet und einfach unfähig ist, ihnen zu zeigen, wie viel sie ihm bedeuten. So beschließt er, dass es höchste Zeit ist, seine neu gewonnene Weisheit zu nutzen, um seine Fehler wiedergutzumachen. Aller Weisheit zum Trotz lassen sich alte Verhaltensmuster aber nicht einfach ablegen und so muss er einen Weg finden, seine alte Verschrobenheit mit den neu gewonnenen Erkenntnissen in Einklang zu bringen und für sich einen Mittelweg zu finden. Anfangs fällt es ihm sichtlich schwer, ehrliches Interesse für seine Mitmenschen aufzubringen, bis er herausfindet, dass seine junge Nachbarin, Emma, von ihrem Mann misshandelt wird. Dies erschüttert ihn zutiefst und er versucht, einen Plan zu entwickeln, um sie zu retten. Bald muss er zu seinem Unglück einsehen, dass Emma nicht von ihm gerettet werden will, sie vertraut sich ihm aber trotz allem nach und nach an, was ihn immer mehr Anteil an ihrem Leben haben lässt. Als Emma schwanger wird und beschließt, ihren Mann dem ungeborenen Baby zuliebe zu verlassen, wird die Situation immer schwieriger und Cesare muss feststellen, dass seine Schwierigkeiten vergleichsweise gering sind und er beginnt, seine Verhaltensweise, vor allem seinen Kindern gegenüber, immer mehr zu überdenken …
Mit Cesare Annunziata hat Lorenzo Marone eine liebenswert-verschrobene, sehr anstrengende und gelegentlich etwas vulgäre Person geschaffen, die vor allem eins ist, nämlich unterhaltsam. Aus Cesares Sicht verfasst, lässt uns das Buch in seine Welt eintauchen, uns für ihn schämen, mit ihm und über ihn lachen und seinen Schmerz fühlen. Er ist eine äußerst facettenreiche, selbstironische Figur, die sich über alles und jeden, vor allem aber über sich selbst und seine eigenen Unzulänglichkeiten mokiert.
Interessant ist vor allem, dass das Buch primär witzig beginnt, gegen Ende aber, trotz Cesares Galgenhumor, zunehmend dramatisch und traurig wird. Es macht jedenfalls von Anfang bis Ende unheimlich viel Spaß, sich in Cesares Welt zu bewegen und man hofft trotz allem, dass die Geschichte ein gutes Ende für ihn nimmt. Weil er mit all seinen Fehlern, seinem Humor und seiner schonungslosen Ehrlichkeit einfach eine herrlich-schräge Figur ist, die man einfach mögen muss.
Lorenzo Marone
Der erste Tag vom Rest meines Lebens
Gebundene Ausgabe, 288 Seiten
Verlag: Piper | Pendo
ISBN: 978-3866123960