Clara Vidalis, eine Expertin für Pathopsychologie am LKA Berlin, sieht sich mit einer unglaublich brutalen Mordserie konfrontiert, bei der die Opfer bei lebendigem Leibe die Herzen aus ihrem Brustkorb gerissen bekommen. Als ob das nicht genug wäre, sind die Opfer gezeichnet von scheinbar mystischen Zeichen, die der Mörder kurz vor ihrem Tod in deren Haut geschnitten hat. Während der Ermittlung stößt Clara Vidalis dank ihres Pathologen Dr. „McDeath“ Friedrich eher zufällig auf eine bereits zehn Jahre zurück liegende Mordserie in den USA, bei der die Opfer auf die selbe Art und Weise mit Symbolen gezeichnet und anschließend getötet wurden. Der Killer wurde niemals gefasst und bei seinem letzten Opfer hinterließ er damals eine Nachricht, die da lautete: „It′s not over, ′til it′s over.“. Hat der Mörder sein Jagdrevier gewechselt? Und wenn ja, wo war er die letzten zehn Jahre? Clara Vidalis und ihr Team versuchen, das Monster zu fassen.
Nur so am Rande, das Buch hat mir sehr viel besser gefallen, als der so hochgelobte Passagier 23 von Fitzek (den ich > hier rezensierte). Veit Etzold schreibt – ich muss es einfach sagen – besser und meines Erachtens auch tiefgründiger. Zwar ist Der Totenzeichner ein unglaublich brutales Buch, in welchem die hässlichen Szenen in einer derart akribischen Art und Weise beschrieben sind, dass man regelrecht die Knochen brechen hört, aber andererseits steckt auch eine unglaubliche Menge an sachlicher Information in der Geschichte. Damit meine ich jetzt nicht nur die Vermittlung von anatomischen Wissen, das etwa in anschaulicher Weise beschreibt, auf welche drei Arten ein Unterkiefer in das Gehirn gerammt werden kann, sondern auch – und das fand ich bemerkenswert und äußerst gut gelungen – das geschickte Einweben von fast tagesaktuellem, politischen Weltgeschehen in einen ohnehin schon spannenden Plot. Hier zeigt sich auch das unglaubliche Potential von Etzold, der sich eben nicht nur auf die Darstellung des blutigen Gemetzels beschränkt, sondern wohl dank tiefgründiger Recherchen den Roman auf allen Ebenen mit viel Liebe zum Detail zusammen strickt und dabei (fast) nichts dem Zufall überlässt. So fesseln uns alle Handlungsebenen ans Buch, egal ob wir den Killer bei seinem entsetzlichen Töten zuschauen, oder Vidalis und McDeath bei ihren schwierigen Ermittlungen begleiten.
Aufgefallen sind mir die vielen, relativ kurzen Kapitel, aus denen der Roman besteht. Das vermittelt den Eindruck, als ob man sich durch einen Kinofilm bewegt, dessen schnelle Schnitte uns die Geschehnisse aus unterschiedlichsten Blickwinkeln möglichst zeitnah vermitteln will. Das erhöht die Geschwindigkeit und fesselt uns erst recht an das Buch, da auch nirgends langatmige Passagen zum Pausieren einladen. Man mag das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen. Erstaunlicherweise schafft es Etzold aber trotz temporeichem Handlungsverlauf, den Protagonisten Leben einzuhauchen und teilweise gute Charaktere aufzubauen, auch wenn dafür die Randfiguren ein wenig blasser ausfallen müssen. Ein bisschen kann man sich das vorstellen wie bei Star Trek (das Original): sowie bei einer Folge ein gänzlich unbekannter Schauspieler die Brücke betrat oder zum Außeneinsatz auf einen fremden Planeten gebeamt wurde, wusste man, dass es nicht lange dauern wird, bis Pille ihm zwei Finger an den Hals legt und mit bedeutungsschwerer Stimme ein „Er ist tot!“ deklamiert. Hier muss ich aber auch ehrlich sagen, dass mich das nun wirklich nicht gestört hat. Die Fokus liegt schon zurecht auf den zentralen Figuren.
Am besten finde ich, dass es Etzold geschafft hat, einen Thriller zu schreiben, dessen Ende mich tatsächlich überrascht hat. Ein Ende, dass so gar nicht in mein so oft verurteiltes, typisches Thrillerschema passt. Ein Ende, welches aus einem sehr geschickten Zusammenspiel aus Gewalt, Berliner Lokalkolorit und weltpolitischem Geschehen resultiert. Mehr mag ich an dieser Stelle gar nicht verraten! Bekannt wurde Veit Etzold übrigens mit seinem Berlin-Thriller „Final Cut“ (Bastei Lübbe, Köln 2012, ISBN 978-3404166879).
Dies war zwar mein erster, wird aber gewiss nicht mein letzter Veit Etzold gewesen sein. Und sollten Sie kein allzu zartes Gemüt haben und gelegentlich Lust auf so richtig brutale Literatur haben, dann sollten Sie mir das gleichtun und Der Totenzeichner lesen.
Aber nur, wenn Sie über 16 sind!
Veit Etzold
Der Totenzeichner
Taschenbuch, 432 Seiten
Verlag: Bastei Lübbe (Bastei Lübbe Taschenbuch)
ISBN: 978-3404172290
Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 16 Jahren!