Italien im Jahre 1981. Linksextremisten versetzen die Stadt mit ihren terroristischen Anschlägen in Angst. Der junge Anwalt Giacomo Colnaghi ist fest entschlossen, die Ermordung des Chirurgen Vissani aufzudecken und stellt sich hierfür ein Team aus den besten Leuten, die er finden konnte, zusammen. Bald darauf gelingt ihnen tatsächlich die Verhaftung eines der führenden Terroristen der Zeit, doch obwohl Giacomo dies als Triumph sehen sollte, kommen ihm immer wieder Zweifel. Er versucht, die Motive des Mannes zu verstehen, der in seinen Augen zunächst einfach ein Mörder ist, aber schon bald wird ihm klar, dass die Ziele beider Männer gar nicht so sehr voneinander abweichen: beide wollen ein Ende der Kriminalität und der Korruption. Während der eine allerdings glaubt, dies am besten mit den Mitteln eines Rechtsstaates durchsetzen zu können, macht der andere eben diesen Staat für die Probleme verantwortlich und ist der Auffassung, die Probleme nur beseitigen zu können, wenn man die Verantwortlichen beseitigt. So stehen sich plötzlich zwei Männer gegenüber, die beide von Gleichheit, Gerechtigkeit und Frieden träumen, deren Wege dahin aber nicht gegensätzlicher sein könnten.
Der zweite Handlungsstrang des Buches erzählt die Geschichte von Ernesto Colnaghi, Giacomos Vater, der sich während Mussolinis Herrschaft den Partisanen angeschlossen hatte, um gegen den Faschismus und dessen Terror zu kämpfen, obwohl er sich damit nicht nur selbst in Gefahr brachte, sondern auch die Missbilligung seines Schwiegervaters und die ständige Angst seiner Frau in Kauf nahm. Auch er konnte die Ungerechtigkeit nicht ertragen und beteiligte sich am Schmuggel von Essensmarken, die er in seinem Dorf verteilte und er versuchte, gemeinsam mit seinen Kameraden, die Willkür des Terrors einzudämmen, so gut es ging. Als er dann gefasst und anschließend ermordet wurde, hinterließ er nur einen Zettel, mit einer Nachricht für seinen Sohn, die Giacomo dazu motiviert, seinen Kampf aller Widrigkeiten zum Trotz weiterzukämpfen. Für sein Erbe, sein Land und seinen eigenen Sohn.
Fontanas Roman ist dieses Jahr ein weiteres Highlight unter den Neuerscheinungen: er ist unglaublich intensiv, emotional, intelligent und stilistisch gekonnt geschrieben (soweit man das bei einer Übersetzung beurteilen kann) und lässt einen so schnell nicht mehr los. Vor allem der innere Konflikt Giacomos, der sich im Laufe des Buches durch den äußeren Konflikt mit dem gefangen genommenen Terroristen, weiter intensiviert, zieht einen als Leser regelrecht in den Bann. Ich muss gestehen, dass ich über diesen Teil der italienischen Geschichte bislang nur wenig wusste, aber dieser Roman hat mein Interesse daran geweckt und ich für meinen Teil werde mich auf jeden Fall weiter in die Materie einlesen. Um das Ganze zu vereinfachen, nennt der Autor im Nachwort auch die Texte, die er zur Recherche verwendet hat. Wer sich für die Geschichte nicht ganz so interessiert, kann den Roman aber natürlich auch ohne Hintergrundwissen genießen, denn die Handlung ist durchaus so aufgebaut, dass man allem auch ohne historisches Hintergrundwissen folgen kann.
Bei all dem ist Tod eines glücklichen Menschen dennoch kein politischer Roman. Er schlägt sich nicht auf eine Seite und zeigt auch nicht mit erhobenem Finger, ganz im Gegenteil. Er beleuchtet zwei kontrastierende Wege zum gleichen Ziel, die allerdings beide nicht so recht erfolgreich sind, zeigt die Fehler in beiden Denkweisen auf und konzentriert sich mehr auf die Gedankengänge der einzelnen Akteure, als auf die sie umgebende Struktur (wobei das eine immer unweigerlich mit dem anderen verknüpft sein muss).
Allen Lesern, die intelligente Geschichten mit Tiefgang mögen, kann ich diesen Roman nur ans Herz legen.
Giorgio Fontana ist im November übrigens auf Lesereise in Deutschland und kommt auch nach Heidelberg. Weitere Details stehen noch nicht fest, werden aber nach Erhalt hier bekannt gegeben.
Giorgio Fontana
Tod eines glücklichen Menschen
Gebundene Ausgabe, 256 Seiten
Verlag: Nagel & Kimche
ISBN: 978-3312006649