Rachel Kushner: Flammenwerfer

Rachel Kushner: Flammenwerfer

New York in den 1970er Jahren. Eine junge Ski- und Motorradrennfahrerin, die sich nach ihrer Geburtstadt Reno nennt, taucht in die Künstlerszene ein, wo sie Sandro, den charismatischen Erben der italienischen Moto Valera Werke, kennen und lieben lernt. Im Zuge eines Kunstprojektes nimmt sie mit einer Moto Valera an einem Motorradrennen in der Salzwüste teil, wo sie das Angebot erhält, eine Promotion Tour durch Italien zu machen. Zusammen mit Sandro fährt sie zunächst zu seiner Familie und wird schon bald in die Revolte der Arbeiterklasse verwickelt, was sie zu einer unfreiwilligen Revolutionärin macht.

Ein Roman voller Spannung, der ein unglaubliches Tempo an den Tag legt und den man kaum aus der Hand legen kann. Die Protagonistin ist in ihrer Naivität und die eher unabsichtlichen Verwicklungen in diverse Rebellionen eine zwar schwierige, aber dennoch sympathische Hauptfigur. Sie ist zunächst in ihrer Motivation schwer greifbar, aber je weiter der Roman und ihre Selbstreflexion fortschreitet, desto verständlicher werden ihre Motive, vor allem in Kontext der Geschehnisse um sie herum. Kritiker werfen dem Buch vor, es sei zu „Macho“ und auch wenn ich diesen Kritikpunkt nachvollziehen kann, lässt Reno sich doch nach Strich und Faden betrügen und will das in ihrer Naivität nicht sehen, so ist es doch in gewisser Weise plausibel, dass sie handelt, wie sie handelt. Eine junge Frau in ihren frühen Zwanzigern, die aus einer Provinzstadt nach New York zieht und dort aus ihrer Einsamkeit heraus urplötzlich in die Mitte der Kunstszene geworfen wird, wird sich in den seltensten Fällen sofort eingestehen, dass eine derart mitreißende Welt durchaus ihre Schattenseiten hat. Zudem begreift sie schon relativ früh, dass ihre neuen Freunde das Leben selbst als eine Art Performance betrachten, was sie zunächst spannend findet und was für sie in Ordnung ist, bis sie merkt, dass sie angefangen hat, mehr in diese neuen Beziehungen zu investieren. Dies ist eine der Stellen, an der es teilweise schwierig wird, hinter die Fassade Renos zu blicken, was die Figur umso bemerkenswerter macht, ist der Roman doch in der Ich-Perspektive geschrieben. Trotz einiger wertender Kommentare bezüglich ihres Verhaltens, macht es den Eindruck, als sei sie bemüht, den Leser sein eigenes Urteil bilden zu lassen. Dabei wird auch deutlich, dass es im Grunde nicht möglich ist, Kushners Roman in seiner Vielfältigkeit einem bestimmten Genre zuzuordnen.

Eine weitere Besonderheit des Buches ist, neben der Geschichte und dem Stil vor allem die Stimmung, die an die Beatniks der 1950er Jahre erinnert, ohne sie thematisch offensichtlich zu zitieren. Wer Jack Kerouac mag, sollte diesem Roman definitiv eine Chance geben. Doch auch für alle anderen ist er absolut lesenswert und gehört für mich definitiv zu den Romanen, die es schwierig machen, unmittelbar danach etwas Neues zu lesen, weil man weiß, dass man etwas Vergleichbares so leicht nicht findet.

Rachel Kushner wurde 1968 in Eugene, Oregon geboren und studierte Literatur und kreatives Schreiben in Berkeley und der Columbia University. Nach ihrer Arbeit als Redakteurin in diversen Kunst- und Literaturmagazinen schrieb sie den Roman Telex to Cuba und nun Flammenwerfer. Für beide Romane wurde sie für den National Book Award nominiert, was zuvor noch niemandem gelungen ist.

Am Montag, den 16.03.15 um 20.15 Uhr liest sie im Übrigen im Deutsch-Amerikanischen Institut in Heidelberg. Tickets gibt es über die Homepage des Institutes (» Rachel Kushner im DAI Heidelberg).

Rachel Kushner
Flammenwerfer

Gebundene Ausgabe, 560 Seiten (erscheint am 06.03.2015)
Verlag: Rohwolt
ISBN: 978-3498034191