Meines Erachtens eines von McCarthys besten Werken: Ein Vater und sein Sohn versuchen, sich in einer postapokalyptischen Welt durchzuschlagen (wobei niemals ganz klar wird, was die Apokalypse verursacht hat) und sich dabei in einer Welt voller Gewalt, Kannibalismus und Trostlosigkeit ihre Menschlichkeit zu bewahren. Für den Vater wird der Sohn zur einzigen Lichtfigur in einer ansonsten vollkommen grauen Welt, in der er nicht mehr weiß, woran er noch glauben soll. Die beiden möchten die Küste erreichen, doch sind sie sich auch bewusst, dass ihre Reise keinerlei Hoffnung birgt, da die „alte Welt“ unwiederbringlich verloren ist und das an der Küste auch nicht anders aussehen kann. Dabei werden die alten moralischen Werte, an denen der Vater festhält, zu einem Anker, denn wo es noch Gutes gibt, kann seiner Meinung nach nicht alles verloren sein. Der Sohn, nach dem Zeitpunkt der unbekannten Katastrophe geboren, kennt die Welt nur in ihrem grauen, äschernen Zustand, wächst aber allmählich dennoch zu einem Philanthropen heran, der trotz Nahrungsmittelknappheit sofort bereit ist, seine Vorräte mit einem hungernden Mann zu teilen. So wird er immer wieder zum Hoffnungsschimmer seines Vaters, der immer wieder mit sich und seiner Hoffnung zu kämpfen hat.
Cormac McCarthy ist ein amerikanischer Autor, der seine eigene Sprache pflegt. Satzzeichen setzt er nur, wenn es unbedingt notwendig ist und verzichtet gänzlich auf Anführungszeichen bei der direkten Rede, weil er meint, es gäbe keine Gründe, seine Buchseiten mit „komischen kleinen Zeichen“ zu übersähen. Sein eigenwilliger Stil und seine schicksalhaften Geschichten rund um amerikanische „Helden“ am Rande der Gesellschaft lassen schon Rufe nach einem Nobelpreis für Literatur ertönen. Ein weiterer bekannter Roman von McCarthy ist No Country for Old Man, der von den Brüdern Ethan und Joel Coen verfilmt und mit über 75 Filmpreisen weltweit ausgezeichnet wurde, darunter vier Oscars. Für den 2006 erschienenen Roman Die Straße erhielt er bereits den Pulitzer-Preis für Literatur.
Das Besondere an dieser Geschichte ist, dass sie alles zeigt, wozu der Mensch fähig ist: sowohl die von McCarthy immer wieder eindrucksvoll geschilderte Gewalt und Zerstörungswut, als auch Freundlichkeit, Hoffnung und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Eindrucksvoll ist hier auch Eli, dem die beiden zwar nur kurz auf dem Weg begegnen und der als eine Art Prophet fungiert, der den beiden, vor allem dem Vater, hilft, einen Sinn in ihrem Überleben und ihrer Reise zu finden. Ganz besonders tritt hier auch der für McCarthy typische poetische Stil zutage (wer kann, sollte das Buch unbedingt auf Englisch lesen – die deutsche Übersetzung ist zwar ganz gut, kommt aber an die Sprachgewalt des Originals nicht ganz heran). Vor allem für Leser, die bislang kein Buch des Autors gelesen haben, bietet dieses auch einen guten Einstieg in sein Werk, da es meiner Meinung nach am leichtesten zugänglich ist.
Im Übrigen gibt es auch eine sehr gute Verfilmung (mit einem brillanten Viggo Mortensen in der Rolle des Vaters), die dem Buch absolut gerecht wird.
Cormac McCarthy
Die Straße
Taschenbuch, 256 Seiten
Verlag: rororo
ISBN: 978-3499246005