Marc Elsberg: ZERO

Marc Elsberg: ZERO

Mit Hilfe einer modernen Datenbrille entdeckt eine Gruppe Jugendlicher im öffentlichen Raum einen gesuchten Verbrecher. Bei der Verfolgung desselben kommt es zu einem Zwischenfall, bei dem einer der Jugendlichen getötet wird. Die Journalistin Cynthia Bonsant, die Mutter eines beteiligten Mädchens, stößt im Verlauf ihrer Nachforschungen über den Vorfall auf das soziale Netzwerk Freeme, welches mit seinen Apps Menschen zu einem besseren Leben verhelfen will. Doch der gut gemeinte Eingriff der sogenannten „ActApps“ in die Privatspäre hat offensichtlich nicht immer positive Auswirkungen. Dies kritisiert auch der anonyme Internetaktivist ZERO, der mit allen Mitteln gegen Freeme vorgehen will. Cynthia Bonsant macht sich auf die Suche nach ZERO und gerät bald zwischen die Fronten von Aktivisten und Geheimdiensten.

Marc Elsberg wurde 1967 geboren und war lange Zeit in der Werbebranche tätig. Soviel zu den Parallelen zwischen Herrn Elsberg und mir. Wie ich herausgefunden habe, schrieb er auch einen Kriminalroman über einen Kommissar der den Tod eines Agenturchefs aufklären muss. Ja, Herr Elsberg, da hätte ich echt gerne mitgeschrieben! Aber das nur am Rande. Viel interessanter für uns ist, das auch sein Thriller Zero den Preis als „Wissensbuch des Jahres“ (1214) in der Kategorie „Unterhaltung“ erhalten hat. Wie schon zuvor Blackout. Für mich als Fan sogenannter „Hardcore SF“ gewissermaßen schon fast ein Qualitätssiegel.

Vorausschickend muss ich erwähnen, dass mir das Buch (Hörbuch) sehr gut gefallen hat. Es gibt zwar einige Schwachstellen, deren Aufarbeitung in der Summe vielleicht einen anderen Eindruck erwecken, aber im Großen und Ganzen halte ich Marc Elsberg noch immer für einen würdigen Nachfolger von Michael Crichton.

Blackout war – zugegebenermaßen – eindeutig besser, wobei ich glaube, dass dies auch dem gewählten „virtuellen“ Thema zuzuschreiben ist. Ich habe schon einige Romane aus der Cyberpunk-Ecke gelesen (z.B. Pollen von Jeff Noon oder Snow Crash von Neal Stephenson) und muss immer wieder feststellen, wie schwer es doch ist, die virtuelle Realität in Worte zu fassen. Ich würde nicht soweit gehen, ZERO als Cyberpunk zu bezeichnen, aber gewisse literarische Berührungspunkte sehe ich schon, gerade wenn es darum geht, die eigentlich auf einem Monitor oder in Apps stattfindenden Ereignisse so in eine Geschichte einfließen zu lassen, dass sie sich nicht „abgelesen“ anhören. Elsberg ist dies bei ZERO wunderbar gelungen.

Begeistert bin ich natürlich von den technischen Ausführungen, die schon bei Blackout viel zum Verständnis der Geschichte beigetragen haben. Zwar wird von vielen bemängelt, diese seien zu ausführlich und würden den Geschichtsfluss stören, dem kann ich mich aber nicht anschließen. Ich empfinde es sogar als äußerst positiv, einen wohlrecherchierten Thriller zu lesen und im Zuge dessen noch entsprechendes Hintergrundwissen zu erlangen. Das macht die Fiktion um so realistischer (und erschreckender). Man kann natürlich nicht erwarten, dass alle Informationen in aller Ausführlichkeit technisch absolut korrekt dargestellt werden, aber vermutlich will uns Herr Elsberg auch keinen Wikipedia-Eintrag, sondern eine Fiktion zum Lesen geben. Diese ist so erschreckend, dass sie wiederum zum Nachdenken anregt und man über den Roman hinaus beginnt, die ein oder andere beängstigente Vision auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Ein Roman mit Nachwirkung, sozusagen.

Nicht so gut finde ich dagegen den etwas flachen Plot ohne großartige Überraschungen und die ein wenig profillosen Protagonisten, die es einem schwer machen, sich um deren persönliches Wohlbefinden zu sorgen. Leider ist Marc Elsberg hier weit unter seinen Möglichkeiten geblieben, weil er in ZERO zuviele Elemente miteinander vermischte. Ich hätte mich entweder auf das Thema „Freeme“ oder auf den Aktivisten „ZERO“ beschränkt und entsprechend konzentrierter verarbeitet. Fast glaube ich, dass Elsberg aus seinem Material durchaus zwei (bessere) Bücher hätte machen können. Getreu dem Motto „Manchmal ist weniger mehr“ hoffe ich als begeisterter Marc Elsberg-Leser, dass seine kommenden Romane wieder die Qualität von Blackout finden.

Steffen Groth liest das Hörbuch ganz anständig (auch wenn viele Hörer das anders sehen). Den von einigen Rezensenten geäußerten Wunsch nach einer Kurzfassung als Hörbuch kommt audible hoffentlich nicht nach. Ein Buch zu kürzen ist ein Frevel und eine peinliche Missachtung der schriftstellerischen Kreativität.

Trotz der Schwächen halte ich das Buch für sehr lesenswert, insbesondere für Smartphone-Nutzer, die den jetzt immer mehr aufkommenden ActApps gedankenlos hinterher rennen.

Marc Elsberg
Zero

Hörbuch, 13 Std. 22 Min.
Gesprochen von: Steffen Groth
Version: ungekürzt, Deutsch
Verlag: Random House Audio

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