Stanislaw Lem: Solaris

Stanislaw Lem: Solaris

Solaris ist ein Planet, der fast vollständig von einer Art „intelligentem“ Wasser umgeben ist, welches die sonderbarsten und bizarrsten Gebilde hervorbringt. Der Sinn dieser Manifestationen bleibt der Menschheit aber mangels Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit dem fremden Bewußtsein verborgen. Der Psychologe Kris Kevin besucht zwecks Forschungsarbeiten die Station im Orbit des Planeten und findet eine vollkommen desolate Mannschaft vor. Es stellt sich heraus, dass der Ozean begonnen hat, aus den Erinnerungsspuren anwesender Menschen lebensechte Schuldobjekte zu rekonstruieren. Diese sogenannten „Gäste“ sorgen für Chaos, Furcht und Auflösung. Bereits in der ersten Nacht auf der Station wird Kris Kevin mit der lebendigen Erscheinung seiner Geliebten Harey konfrontiert, die sich 20 Jahre zuvor das Leben nahm. Kevin, der sich mitschuldig an ihrem Suizid fühlt, versucht sich methodisch der Situation zu stellen.

Solaris ist unbestritten das berühmteste Buch von Stanislaw Lem. Viele kennen das Buch, aber die wenigsten davon haben es wohl wirklich gelesen. Es erschien 1961 (1972 in DE) und ist neben Fahrenheit 451 von Ray Bradbury wohl der SF-Klassiker schlechthin. Ein Klassiker aber, bei dem es auch zwei berühmte Filme nicht geschafft haben, den Kern der Geschichte zu vermitteln (1972 von Andrei Tarkowski, 2002 von Steven Soderbergh mit George Clooney und Natascha McElhone). Das zumindest meint der Schriftsteller selber, der in einem Interview des Magazins Galore (Ausgabe 17/2005) die Filme recht harsch kritisierte:

»Blödsinn! Absoluter Blödsinn. Alles Interessante an meinem Roman bezog sich auf das Verhältnis der Menschen zu diesem Ozean als einer nicht-humanoiden Intelligenz – nicht auf irgendwelche zwischenmenschlichen Liebesgeschichten.«

Da zeigen sich aber schon die Schwierigkeiten von Solaris: So gesehen begegnen wir Leser dem Buch mit dem selben Unverständnis, wie die darin enthaltenen Protagonisten dem mystischen Ozean von Solaris. Auch wir versuchen mit unseren begrenzten, geistigen Fähigkeiten eine Art Kommunikation mit dem Buch aufzubauen und scheitern an dem wahrhaft brillanten Geist von Stanislaw Lem, der vom Leser eine schon metaphysische Art des Verstehens und Begreifens abverlangt. Ein Buch, das viel Geduld für die seitenlangen, detaillierten Beschreibungen der bizarren, ozeanischen Gebilde voraussetzt, aber auch viel Verständnis für philosophische Inhalte, die die Geschichte zu vermitteln versucht. Die Liebesgeschichte von Harey und Kevin erscheint uns da wie der Ariadnefaden, der den „einfachen“ Leser mittels trivialer Handlungsstränge mit Momenten des Begreifens erfreut und hilfreich zum Verständnis des gesamten Inhaltes beiträgt.

Nein, das Buch ist nicht schlecht, ganz im Gegenteil, es ist in jeder Hinsicht ein Juwel der phantastischen Literatur. Allerdings fordert es den Leser ungemein heraus und erfordert ein Höchstmaß an Konzentration. Stanislaw Lem war Philosoph und sein (düsteres) visionäres Potential wird in Solaris auch sehr deutlich.

Hilfreich beim Hörbuch war die hervorragende Lesung von Detlef Bierstedt, seines Zeichens Synchronsprecher von George Clooney. Diese Parallele zum Film von 2002 bindet die Fantasie des Lesers zwar an ein Gesicht, wirkt aber hier ausnahmsweise nicht störend, da Clooneys ruhige Art den Protagonisten Kris Kevin gut verkörpert und dem Leser den Kopf freihält für die Annäherung an die schon recht tiefsinnige Utopie.

Empfehlenswert für alle Leser und Hörer, die gerne über besonders schwer zu erkletternde Telleränder schauen.

Stanislaw Lem
Solaris

Hörbuch, 8 Std. 42 Min.
Gesprochen von: Detlef Bierstedt
Version: ungekürzt, Deutsch
Verlag: HörbucHHamburg HHV GmbH

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