Anthony Horowitz: Der Fall Moriarty

Anthony Horowitz: Der Fall Moriarty

Nach dem dramatischen Tod von Sherlock Holmes und seinem genialen Gegenspieler Moriarty im Abgrund des Reichenbachfalls entsteht in der Londoner Unterwelt ein Machtvakuum, welches der aus Amerika stammende Kriminelle Devereux mit skrupellosen Mitteln zu füllen versucht. Auf seine Spuren heften sich der aus der New Yorker Detektei Pinkerton stammende Detektiv Frederick Chase und der Scotland Yard Inspector Athelney Jones. Gemeinsam versuchen sie das Chaos von Mord und Totschlag zu entschlüsseln, um dem neuen kriminellen Genie das Handwerk zu legen. Als hilfreich erweist sich dabei Jones Begeisterung für Sherlock Holmes Ermittlungsmethoden, die er sich durch das Studium vergangener Fälle angeeignet hat. Doch der geheimnisvolle Unbekannte Devereux stürzt selbst die Kriminellen mit seinem ehrlosen und brutalen Vorgehen in Angst und Schrecken.

Der Fall Moriarty ist ebenso wie sein Vorgänger Das Geheimnis des weißen Bandes ein Nachfolgeroman der Sherlock Holmes-Serie von Arthur Conan Doyle. Horowitz schafft es sehr gut, Doyles distinguierte Erzählweise aufzugreifen und authentisch fortzuführen. Und ebenso wie beim ersten Band werden auch hier alle Örtlichkeiten dermaßen plastisch und liebevoll beschrieben, dass man sich förmlich im London der Jahrhundertwende wähnt. Dies gilt auch für die beteiligten Figuren, denen mit viel Feingefühl Leben eingehaucht wird und in deren Charakter sich der Leser dann auch entsprechend gut einlesen kann. Etwas übertrieben fand ich jedoch Jones fanatische Begeisterung für Sherlock Holmes, die sich natürlich auch in seinem Verhalten wiederfindet, allerdings in einer gelegentlich leicht unglaubwürdig perfekten Art und Weise. Stellenweise glaubte ich sogar, dass Horowitz versucht, einen neuen Holmes und Watson zu generieren – eine Möglichkeit, die sogar von den Protagonisten selbst ins Auge gefasst wird. Trotzdem hat man niemals das Gefühl, sich in einem Plagiat zu befinden, sondern teilt gewissermaßen deren Begeisterung für das „Original“. Die Geschichte selbst wird nicht langweilig, sondern bleibt spannend und endet gewissermaßen in einem furiosen Finale.

Am Ende dieses Beitrages – nach den Verlagsinformationen – werde ich zu diesem Finale noch Stellung nehmen. Wegen der SPOILER-GEFAHR rate ich jenen, die das Buch lesen möchten, dringend davon ab, entsprechenden Absatz zu lesen!

Anthony Horowitz hat anscheinend bereits einen dritten Band veröffentlicht (Die drei Königinnen. Ein neuer Fall für Sherlock Holmes), den es – man höre und staune – von diversen Anbietern als kostenlose eBook Version für Kindle und Android-Geräte gibt. Aber Vorsicht, offensichtlich ist es nur eine Kurzgeschichte, die Lust auf einen kommenden Roman machen soll. Aber was soll’s, einem geschenkten Gaul schaut man nicht in’s Maul, oder?

Anthony Horowitz
Der Fall Moriarty

Gebundene Ausgabe: 341 Seiten
Verlag: Insel Verlag; Auflage: 1 (28. Oktober 2014)
ISBN: 978-3458176121


 
ACHTUNG SPOILER
Erst nach dem Beenden von Der Fall Moriarty lesen … außer, Sie möchten sich das Buch ohnehin nicht zu Gemüte führen:

Nein das hätte nicht sein müssen. Um es mal deutlich auszudrücken, das Ende versaut alles. Zwar ist es trotz der überraschenden Wendung schlüssig, auch gerade hinsichtlich einer Fortsetzung der Sherlock Holmes-Serie, aber dennoch wirklich nicht schön. Ausgerechnet der Character, den man mit der größten Persönlichkeit ausgestattet hat und der vermutlich beim Leser auch den positivsten Eindruck hinterlässt, hätte man nicht sterben lassen dürfen. Schon gar nicht so. Ein unrühmliches Ende von Horowitz, zu brutal in seiner Ausführung, zu herzlos gegenüber der liebevoll besorgten Elspeth und selbst für den am Ende triumphierenden Sieger zu unehrenhaft. Ich habe trotz der Freude an der Sprache, an der Handlung und an den Protagonisten am Ende das Buch aus der Hand gelegt und war sehr enttäuscht. Ich bin der Meinung, dass Horowitz hier eine andere Lösung hätte finden müssen. So aber bleibt man regelrecht ratlos mit der Frage zurück: „Warum das alles?“