Eine sehenswerte Kunstinstallation findet zur Zeit im Burggraben des Tower of London statt, Anlass ist der 100ste Jahrestag des Ausbruchs des ersten Weltkrieges. Initiiert wurde die Installation vom Keramik-Künstler Paul Cummings, die Ausführung übernimmt der Stage-Designer Tom Piper. Dutzende von freiwilligen Helfern sind im Moment dabei, über 850.000 Keramik-Mohnblüten in den Burggraben zu setzen und obwohl noch nicht fertig, ist das Werk schon jetzt beeindruckend und regt zum Nachdenken an. Demzufolge erlebt der Tower of London auch im Moment einen gewaltigen Zustrom an (durchaus willkommenen) Neugierigen.
Wie Blut strömen die Mohnblüten aus einem Fenster der Burgmauer und ergießen sich in weiten Wellen in den Burggraben. Von weitem sieht es tatsächlich nach einer homogenen Fläche aus, doch beim Näherkommen löst sich diese in einzelne Mohnblüten auf – für jedes Opfer eine.
Die Engländer sind bekanntermaßen große Nationalisten und haben ein etwas anderes Verhältnis zum Militär als wir. Wie die Franzosen auch, sehen die Engländer ihre Streitkräfte als eine national-historisch gewachsene und traditionelle Institution, die das Land regelmäßig vor Bösem verteidigt (abgesehen von den eingefallenen Wikingern auch ziemlich erfolgreich). Wir Deutsche sind dagegen historisch belastet und kämpfen noch immer mit den Schatten der Vergangenheit. Und während wir eher uninteressiert an den Denkmälern der Gefallenen vorbeigehen und das ein oder andere Kapitel deutscher Geschichte lieber vergessen würden (was wir natürlich keinesfalls tun dürfen!), gedenken alle Engländer am 11. November – dem Legion Poppy Day – ihren Gefallenen und erweisen ihnen durch das Anstecken einer Mohnblüte ihre Ehre. Verbunden mit dem Zeichen ist eine Spende an die Institution, die die Gelder zu praktischen und psychologischen Betreuung von Soldaten, Zusammentreffen von pensionierten Veteranen und zur Pflege von Kriegsgräber nutzt.
Ich habe natürlich wahnsinnig tolle Bilder gemacht und stellte mir die Frage, soll ich hier eine „stylische“ Nahaufnahme der Mohnblüten zeigen oder eher eine „nüchterne“ Aufnahme des Burggrabens verwenden? Ich entschied mich für die zweite Lösung, denn nur dermaßen visualisiert beginnt man halbwegs zu begreifen, was eine solch‘ hohe Opferzahl überhaupt bedeutet.
Hier gibt es weitere Informationen zur Aktion: