England im Jahre 1845. Die beiden Schiffe der Royal Navy Terror und Erebus, benannt nach den beiden höchsten Bergen der Antarktis, verlassen London und segeln Richtung Nordpolarmeer. Das Kommando über die bevorstehende Expedition hat der hochdekorierte Sir John Franklin und sein Ziel ist die Entdeckung der legendären Nordwestpassage, der eisfreien Verbindung zwischen dem Atlantik und dem Pazifischen Ozean. Es sind die modernsten Schiffe ihrer Zeit, nach ihren Einsätzen als Kriegsschiffe mit mächtigen Eisenplatten gepanzert und für Eisfahrten tauglich, ausgestattet mit Heißwasserheizungen, angetrieben mit zusätzlichen Dampfmaschinen. Mit diesen beiden Schiffen soll es endlich gelingen, den freien Seeweg durch das bisher unüberwindliche Eis zu finden. Sir John Franklin will nach mehreren gescheiterten Anläufen dieses Mal den Erfolg mit aller Macht erzwingen. Er treibt die beiden Schiffe und ihre einhundertdreißig Mann Besatzung immer weiter in die Arktis, bis sie schließlich hoffnungslos im Packeis festsitzen. Gefangen in der alptraumhaften Eiswüste versuchen die Männer, sich gegen die Kälte, den Hunger und die Attacken der Polarbären zu behaupten. Doch nach und nach werden die Schiffe von den gewaltigen Eismassen zerdrückt und der Terror beginnt, denn die Natur siegt letztendlich über die vermeintlich sichere Technik.
Dieses Hörbuch hat meine (Leser-)Herz gespalten. Es ist ein gutes, ein fantastisches Werk mit nur wenig Schwächen, das eigentlich hoch gelobt werden könnte, wäre da nicht die unerträglich schwere und düstere Stimmung, die einen über alle Seiten hinweg begleitet. Naturgemäß bietet die Thematik nicht wirklich Anlass für eine humorvolle Erzählung, aber der teilweise unglaublich düstere Realismus in Simmons Beschreibungen macht es einem schon schwer, die fast 29 Stunden (bzw. 992 Seiten) durchzuhalten.
Beeindruckt haben mich die teilweise äußerst langen Beschreibungen von seemännischen Details und Verwendung von Fachtermini, die so gezielt eingesetzt wurden, dass man sich auf einem der Schiffe wähnt und das ganze Geschehen hautnah mitzuerleben scheint. Figuren werden ausführlichst dargestellt und bekommen durch ihre jeweiligen Eigenarten Character, Persönlichkeit und Leben eingehaucht (welches gelegentlich durch höhere Gewalt auf das Grausamste wieder genommen wird), gleiches gilt für die Schilderungen des alltäglichen Lebens auf den eingefrorenen Schiffen. Dabei dürften Simmons detailierte und langatmige Ausführungen nicht jedem gefallen, denn sie fordert die Geduld des Lesers ungemein heraus. Eigentlich möchte ich es gar nicht so negativ ausdrücken, da mir persönlich die schon minuziöse Erzählweise gefallen hat, aber die Handlung gerät zuweilen durch erschöpfende Personen- und Handlungsbeschreibungen oder Retrospektiven gewissermaßen ins Stocken. Man muss es wirklich mögen, ansonsten hat man wahrlich keine Freude daran.
Dan Simmons, Jahrgang 1948 und seit 1982 Berufsschriftsteller, hat mit Terror einen beeindruckenden epischen Roman abgeliefert, der die gut recherchierten Tatsachen in eine solch‘ lebensnahe Fiktion verpackt, dass es zuweilen schwer fällt, zwischen Fantasie und Wirklichkeit zu trennen. Der Leser begibt sich auf eine eisige Reise, spannend und mitreißend, aber auch düster und langatmig. Der einzig wirklich unschöne Kritikpunkt meinerseits ist das Einweben von unnötigen Horrorelementen in eine Story, die eigentlich an sich schon genügend Elemente des Schreckens beinhaltet. Dennoch hat mir Terror soweit sehr gut gefallen, ich würde es aber nur dem geübten Hörer oder Leser empfehlen, denn es ist – wenn sprachlich auch nicht unbedingt herausfordernd – nicht gerade „leichte Kost“ und kein Buch für zwischendurch. Das Hörbuch von audible wurde von Detlef Bierstedt ganz hervorragend gelesen.
Am besten hören oder lesen Sie Dan Simmons Terror an kalten Winterabenden bei Wind und Schneeregen auf dem Balkon, das macht es noch ein kleines Stückchen authentischer.
In Wikipedia habe ich gerade gelesen, dass 2013 der US-Pay-TV-Sender AMC ein Serienprojekt für das Jahr 2014 vorstellte, die Verfilmung von Terror. Allerdings heißt es in einer alten Pressemitteilung, man wolle sich „auf den Horror des Stoffes konzentrieren“. War ja klar, dass ausgerechnet die Amis mal wieder aus literarischem Gold Scheiße machen …
Dan Simmons
Terror
Taschenbuch: 992 Seiten
Verlag: Heyne Verlag (1. Dezember 2008)
ISBN: 978-3453406131
Hörbuch, 28 Std. 45 Min.
Gesprochen von: Detlef Bierstedt
Version: ungekürzt, Deutsch
Verlag: Audible GmbH