Iwan Jefremow: Andromedanebel

Iwan Jefremow: Andromedanebel

Jefremows Science-Fiction Klassiker aus dem Jahre 1958 ist der erste Teil einer Trilogie und spielt zum einen im Weltall, wo das Team um den Raumschiffcaptain Erg Noor in Schwierigkeiten gerät, weil ihr Schiff viele Lichtjahre von der Erde entfernt in die Umlaufbahn eines stark magnetischen Eisensterns gerät und nicht genügend Treibstoff vorhanden ist, um sich der Anziehungskraft zu entziehen. Notgedrungen muss die Mannschaft auf dem nächsten Planeten mit einigermaßen erträglicher Atmosphäre landen. Dort finden sie überraschenderweise ein seit mehr als achtzig Jahren als verschollen geltendes Schiff und müssen zugleich feststellen, dass sie nicht die ersten sind, die das Raumschiff gefunden haben…

Zeitgleich kämpft der auf der Erde wohnende Leiter der Weltraumkommunikation Dar Weter mit einer Depression, durch die ihm seine verantwortungsvolle Tätigkeit unerträglich erscheint und er beantragt, einen neuen Beruf ausüben zu dürfen, was in der dargestellten Gesellschaft keine Seltenheit und sogar erwünscht ist, um Trägheit und Langeweile zu vermeiden. Als letzte Amtshandlung möchte er noch dabei sein, während die Wissenschaftlerin Weda Kong einen Vortrag über die Geschichte der Erde hält, der an das Bündnis der Planeten, genannt Der Große Ring, gesendet wird. Als sie fertig ist, erreicht die Erde allerdings eine Botschaft von einer Millionen von Lichtjahren entfernten Galaxie, die Wesen zeigt, die dem Menschen äußerlich sehr ähneln. Fasziniert von der jungen Frau, die er in der Nachricht sieht, beschließt Dar Weters Nachfolger Mwen Maas, dass es irgendwie möglich sein muss, die Entfernung zu der fremden Galaxie zu überbrücken und entschließt sich zu einem folgenschweren Experiment.

Dass das Buch das meistverkaufte Science Fiction Werk der Sovjetunion ist, ist durchaus nachvollziehbar, auch wenn ich sagen muss, dass ich mich an einigen Widersprüchen gestört habe. Das erste, was einem auffällt, ist, dass der Autor immer wieder davon spricht, die Menschen der Ära des Großen Ringes hielten nichts von überflüssigen und zu intensiven Emotionen, dennoch werden die Adjektive „zärtlich“ und „lieb“ fast schon inflationär gebraucht und zwischen den Protagonisten spinnen derart komplizierte und sentimentale Liebesgeschichten, dass es ab einem gewissen Zeitpunkt richtiggehend anfängt, zu nerven

Was man wirklich im zeitgeschichtlichen Kontext lesen muss, ist die Idee eines Weltkommunismus, der Frieden auf Erden bringen soll. Da das Buch im Jahre 1958 in der Sovjetunion geschrieben wurde, blieb dem Autor vermutlich kein allzu großer Spielraum, was das politische Setting des Roman betraf (es sei, ein Aufenthalt in Sibirien sei schon immer sein Traum gewesen), allerdings verstrickt er sich auch da in einige Widersprüche, von denen ich allerdings nicht genau sagen kann, ob sie nicht eher der Idee des Kommunismus per se geschuldet sind. Ein weiteres Detail passt ebenfalls nicht in die Vision seiner künftigen Gesellschaft und das ist, obwohl immer wieder beteuert wird, man solle das Vergangene abschließen, der immer wiederkehrende Bezug auf die Mediterrane Antike. Vor allem die bei den Philosophen des antiken Griechenland verbreitete Idee, dass Schönheit nur durch das Training von Körper und Geist entsteht, findet sich in dem Roman immer wieder, was mir für eine Gesellschaft der Zukunft ein wenig merkwürdig vorkam, zumal alle Menschen bei erreichen der Volljährigkeit so genannte „Herkulestaten“ bestehen müssen, um sich zu beweisen. Diese bestehen, ganz im kommunistischen Sinne, aus schwierigen Aufgaben, die dem Allgemeinwohl dienen. Hinzu kommt noch, dass immer wieder von „Freiheit“ der Menschen (vor allem vom Kapital) gesprochen wird, es aber ganz eng gefasste, vorgegebene Richtlinien gibt, wie ein Mensch zu sein, zu denken und zu fühlen hat. Zwar ist es möglich, ein anderes Leben zu wählen, aber nur auf einer dafür vorgesehen abgeschotteten Insel. Als Mensch, der in Jugoslawien geboren wurde, erinnert mich das zu stark an Titos „nackte Insel“ auf die alle Gegner des Regimes geschickt wurden, weshalb mich dieser Aspekt des Romans ziemlich gestört hat.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Weltraumgeschichte an sich spannend zu lesen ist, die Zustände, die auf der Erde herrschen allerdings mit einer zukünftigen Utopie meiner Meinung wenig zu tun haben. Dazu hat Iwan Jefremow (gezwungenermaßen?) zu viel von den kommunistischen Ideen eingebaut. Wessen Vorstellung einer idealen Welt in diese Richtung geht, wird an dem Roman seine Freude haben, für alle anderen ist er mehr aus literaturwissenschaftlicher Sicht unter dem Aspekt „Zukunftsvisonen unter Einfluss eines repressiven Regimes“ interessant.

Iwan Jefremow
Andromedanebel

Taschenbuch, 544 Seiten
Verlag: Heyne
ISBN: 978-3453315372