John Matthews: Stadt in Angst

John Matthews: Stadt in Angst

1891: In den Straßen von New York wird die entsetzlich zugerichtete Leiche einer Prostituierten entdeckt, deren Verletzungen deutliche Parallelen zu einer Mordserie in England aufweisen, nämlich zu der des Serienmörders Jack the Ripper. Die Übereinstimmungen sind so frappierend, dass die New Yorker Polizei Hilfe aus London anfordert, da die Vermutung nahe liegt, dass der nie gefasste Serienmörder den Atlantik überquert hat. So bekommt der amerikanische Detektiv Joseph Argenti den britischen Ermittler Finley Jameson zur Seite gestellt, um von den bisherigen Erfahrungen und Ermittlungsergebnissen Scotland Yards partizipieren zu können. Doch nicht nur der Serienmörder, sondern auch Korruption in den eigenen Reihen und die Gangs der New Yorker Unterwelt erschweren die Ermittlungen. Jameson und Argenti müssen gegen mehrere Fronten kämpfen, während sich der gesuchte Killer wieder in Ruhe ein neues Opfer aussucht.

Zunächst hatte ich ein bisschen das Gefühl, ein neues Buch von Anthony Horowitz zu lesen, denn zu Anfang ähneln sich Inhalt und Stil doch recht stark, auch wenn sich Matthews Stadt in Angst leichter lesen lässt. Das mag daran liegen, das bei Matthews dieser gewisse Sherlock-Holmes-Stil, diese old-fashioned, äußerst zuvorkommende und gepflegte Sprache (ich nenne es immer gerne „Empire-Stil“), in geringerem Maße Anwendung findet als bei Horowitz oder Doyle und die Lektüre dadurch sprachlich vielleicht ein wenig flacher zu sein scheint. Das soll unseren Lesegenuss aber nicht im mindesten stören, denn keine Sorge, alle Herrschaften pflegen einen ihrem Stand angemessenen Umgangston. Aber nichts desto trotz ist Horowitz in seinen Details doch facettenreicher und ausführlicher, so dass bei Matthews die atmospärische Dichte nicht ganz so perfekt ist. Aber wirklich nur ein klein bisschen weniger perfekt.

Wer jetzt meint, das Buch deswegen nicht lesen zu müssen, der sollte sich dies noch mal überlegen, denn es ist eine wahnsinnig spannende Geschichte, die uns über 500 Seiten lang in ihrem Bann hält. Die Jack the Ripper-Thematik ist weder abgedroschen noch langweilig, sondern äußerst interessant und packend fortgesetzt worden. Spätestens ab der Mitte empfinden wir jede Lesestörung als ungemein lästig, da wir gleich mit mehreren Protagonisten mitfiebern und uns Sorgen um des ein oder anderen Wohlergehen machen müssen. Nicht nur, dass wir miterleben müssen, wie der Serienmörder die Polizei zum Narren hält, sondern auch, wie fiese Jungs aus der Unterwelt (angemessen brutal und respekteinflößend) ihre Interessen mit Nachdruck zu verteidigen versuchen. In beiden Fällen sind die Opfer Frauen, die, durch Armut in die Prostutition gezwungen, geächtet am Rande der Gesellschaft leben. Dies erkennen auch unsere Helden Jameson und Argenti und bemühen sich, die ein oder andere verlorene Seele wieder auf den rechten Pfad der Tugend zu führen, was uns wiederum zu zwei interessanten Geschichten am Rande verhilft. Zwischen all den blutigen Geschehnissen ein bisschen Pretty Woman, ein bisschen Rain Man und jede Menge Vorfälle aus der Vergangenheit, die im Laufe der Zeit verdrängt wurden und nun wieder an die Oberfläche kommen. So wird aus knallharten Ermittlern lebensnahe Figuren, von denen jeder sein ganz eigenes Päckchen zu tragen hat. Und um jeglichen Spoiler zu vermeiden stelle ich es jedem Leser frei zu erfahren, ob am Ende sich alles für jeden zum Guten wendet.

Ich habe dieses Buch mit Freuden gelesen. Ich kann es auch jedem Liebhaber des englischen Krimis an das Herz legen, auch wenn sich Matthews Stadt in Angst auf manchen Seiten in einen blutig-rasanten Thriller verwandelt. Auf jeden Fall sollten Sie ab ca. Seite 250 das Telefon abschalten und mundgerechte Verpflegung in Griffweite haben.

Der britische Autor John Matthews arbeitete lange als Journalist, unter anderem für den Independent und die Sunday Times. Im Jahre 1999 wurde sein Roman Past Imperfect (Das vergessene Kind) von der Times in die Top Ten der besten Gerichtsthriller aller Zeiten gewählt.

John Matthews
Stadt in Angst

Broschiert, 512 Seiten
Verlag: Page & Turner/Wilhelm Goldmann Verlag
ISBN: 978-3442204380